Kurze Betreuung meiner Eltern. Bin fertig.

Uff, ich bin mit den Nerven am Ende. Mein Vater ist 91, hat Pflegegrad 4 und ist dement. Meine Mutter ist 85, noch sehr fit und pflegt ihn mit Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes, der morgens die Körperpflege übernimmt.

Jetzt ist sie gestürzt, hat eine Fraktur und darf sich eigentlich nicht bewegen. Ich bin jetzt also für zwei Wochen hier eingezogen und schmeiße den Laden. Und ich hasse es. Den Haushalt, das Kochen, Einkaufen, Hol- und Bringdienste, alles fein. Aber dieser demente alte Mann, der mein heißgeliebter Vater war, macht mich fertig. Er brüllt ständig nach Mama (damit meint er seine Frau), heult rum, schmatzt die ganze Zeit mit seinem Gebiss rum, redet wirres Zeug.

Vom Essen ganz zu schweigen. Ich bin bei schlechten Tischmanieren empfindlich, schon immer gewesen. Vorhin musste ich vom Abendbrottisch aufspringen und in mein Kinderzimmer laufen, ich hab es einfach nicht mehr ausgehalten. Kurz vor Würgereiz.

Ich weiß, dass er nichts dafür kann, aber das hilft mir nicht. Ich bin echt alle, ich kann das nicht mehr ertragen.

Übermorgen fahre ich wieder heim (300 Kilometer), alles ist soweit organisiert. Aber ich kann mir im Moment einfach nicht vorstellen, in ein paar Wochen meinen turnusmäßigen zweitägigen Besuch wegen Organisations- und Handwerkerkram bei den Eltern anzutreten. Ich könnte echt heulen bei dem Gedanken.

Meine Mutter ist mir natürlich dankbar, findet aber (unausgesprochen), ich solle mich nicht so anstellen. Nur wie mach ich das?

2

Hm, ich denke du siehst deinen Vater imme rnoch als den Menschen, der er einmal war...der evtl auch sehr auf gute Tischmanieren bei dir geachtet hat früher.

Und ich vermute, das deine Mutter nicht denkt, das du dich nicht so anstellen sollst...sie nimmt das alles einfach nicht mehr so wahr wie du....sie lebt tagtäglich mit ihm zusammen.

Manchmal kann man eben nicht aus seiner eigenen Haut, das ist so. Aber das ist nun mal dein Vater, ein Schatten seiner selbst, ihn jetzt zu akzeptieren, wie er ist....die Situation annehmen, ihn annehmen....ich glaube das macht vieles leichter. Die Vergangenheit als schöne(?) Erinnerung im Herzen tragen, aber die Realtiät trotzdem sehen können.

Eigentlich dreht sich im Alter einfach alles um, das hat mir sehr geholfen. Meine Mutter war bestimmt auch nicht immer begeistert, wenn meine Windel auslief, sie nachts mein Bett frisch beziehen musste oder ich den ganzen Tag vor mich hingebrabbelt oder gemotzt habe...ja auch geschmatzt habe oder sie drauf achten musste, was sie mir überhaupt zu essen gab, nicht gewaschen werden wollte. So war es für mich eher eine Ehre, sie am Ende eng zu begleiten....ich konnte etwas zurückgeben....eben diese Umkehr. Aber sicherlich ist es anders, wenn es um Sterbebegleitung geht, als um Demenz.

Jeder muß selber schauen, wie sehr er sich darauf einlassen kann. Ich kann mich nur erinnern, das damals viele im Umfeld sagten, das sie das niemals bei ihren Eltern könnten....einige sind jetzt auch schon mittendrin und heute sagen sie, das es sich gar nicht so schlimm anfühlt, wie sie damals dachten. Sie verstehen meinen eigenen Antrieb und sehen meine Erklärungen damals mit ganz anderen Augen. Einige können es wirklich nicht, aber das ist eben auch okay.

Man kann nur das geben, was man psychisch und körperlich packt, man muß da auch einafch ganz ehrlich zu sich selber sein. Ich konnte zB nicht mit meinem Vater duschen gehen, als er pflegebedürftig wurde....er war ja bei vollem Bewußtsein, das war mir einfach zu intim. "Katzenwäsche", Zähne rein/raus, Wundversorgung...alles kein Thema...aber meine Grenze war bei ihm an der Duschtür erreicht. Er wäre lieber mit mir duschen gegangen, aber es ging einfach nicht für mich udn ich habe mich abgegrenzt.

Ups, ich glaube etwas am Thema vorbei.

1

Ich kann nachvollziehen, dass das belastend ist und ja dein Vater kann nichts dafür. Seine Situation ist auch traurig und man braucht viel Verständnis und Geduld dafür. Wenn du sagst, dass du dabei an deine Grenzen kommst, dann ist das so. Jeder Mensch empfindet Dinge anders. Hast du vielleicht andere Geschwister oder Verwandte/ Bekannte die das erledigen könnten? Bestenfalls vor Ort? Hättest du dort eine andere Übernachtungsmöglichkeit? Vielleicht entlastet es dich, wenn du zumindest woanders übernachtest. Könntest du zumindest den Bürokram aus der Ferne erledigen? Wenn es dich belastet, du aber gleichzeitig helfen möchtest, würde ich zu einem Kompromiss tendieren. :)

3

Hallo Loewenherz17,
du befindest dich in einer sehr herausfordernden Situation. Musst du mit am Tisch sitzen? Wenn nicht, lass es und iss alleine oder zu einer anderen Zeit. Niemand kann dich dazu zwingen, oder? Sitzt deine Mutter auch dabei?
Kannst du auch mal rausgehen oder sitzt du quasi bei ihnen fest? Rennt sonst deine Mutter jedes Mal sofort, sobald dein Vater ruft? Wenn nicht, musst du es auch nicht.
Was macht er den ganzen Tag? Hat er irgendeine Beschäftigung oder auch Fernsehen oder so?
Mit Fernseher oder Musik im Hintergrund kannst du dich vielleicht besser beisammen halten, weil du die Geräusche weniger wahrnimmst? Alternativ Gehörschutz oder nur für dich Musik mit Kopfhörer, bevor du gar nicht mehr kannst?

9

Da würde ich noch mal googeln: Meines Wissens können Demenzkranke eher keine Hintergrundgeräusche, besonders vom Radio ertragen. Eventuell eher Noisecancellingkopfhörer und ein gemeinsames Essen für den Vater und hinterher ein entspanntes Essen alleine.

12

Ich glaube, das ist ganz individuell. Mein demenzkranker Vater z. B. wollte zum Schluss immer Schlager hören, obwohl er die bis ins Alter überhaupt nicht leiden konnte. Für mich sind Schlager Folter, also hab ich ihm nur ab und zu Abendsendungen gegönnt. Aber da ich zum Schluss 24/7 bei ihm war und das sowieso die größte Herausforderung meines Lebens war und ich die einzige war, die die Fernbedienung noch benutzen konnte, hab ich eher Programme für mich rausgesucht. Hätte es sonst nicht ausgehalten, dableiben und den ganzen Tag ertragen war schon eine große Überwindung.
Ich glaube, da kann man rumprobieren und merkt, ob der Demenzkranke ruhiger wird. Das mit den Hintergrundgeräuschen hab ich allerdings in keinem meiner Demenzbücher gelesen, kann natürlich aber sein.

4

Hallo erstmal möchte ich dir sagen wie leid es mir für dich tut. Ich war als Jugendliche in einer ähnlichen Situation. Mein Vater hatte Krebs und dadurch eine Geh- und Stehbehinderung. Er konnte sich dadurch nicht alleine auf die Toilette setzten und wieder aufstehen da der Rollator nicht ins Bad gepasst hatte. Hilfe nahm er von mir nicht an und urnierte weswegen immer im stehen. Ich musste nach jedem einzelnen Toiletten-Gang (er nahm Cortison, also stündlich war er auf dem Klo) den Boden aufwischen. Das machte mich so aggressiv und fertig ich bin damals sogar einmal aus der Haut gefahren. Natürlich konnte er nichts dafür aber ich denke meine Reaktion damals war ganz normal. Ich war völlig überfordert und da meine Mutter arbeiten musste konnt ich ihn nicht alleine lassen. Mach dir keine Vorwürfe suche dir Hilfe wenn du nicht mehr weiter kannst. Mein Vater starb einige Wochen später und mir tut mein Verhalten im Nachhinein leid aber in der Zeit war es einfach zu viel ich konnte nicht anders und bei dir wird es ähnlich sein.

5

Ich kann verstehen das du hier überfordert bist. Denn es ist schon richtig das du deinen Vater gerne als das sehen willst was er früher war. Doch das ist er ja nicht mehr. Gleichzeitig kann es wirklich sehr belastend sein wenn man mit einem Dementen zusammenlebt!
Doch dann braucht deine Mutter dringend Hilfe, denn so kanns nicht weitergehen!

Ela

6

Erst mal meinen Respekt an dich.
Es erfordert unglaublich viel von der eigenen Psyche Angehörige zu begleiten, zu pflegen.

Ich bin Notärztin, sehe viel und komme häufig in Haushalte/Familien in denen Angehörige mit der Pflege überfordert sind.
Ein Heim oder ambulante Pflege aber konsequent abgelehnt werden von Betroffenen oder den Angehörigen.
Da liegen Menschen in ihren Exkrementen, leben in einem Raum komplett mit Toilettenstuhl, das ist schwer zu ertragen schon nur während des Einsatzes.

Ich habe meine Oma palliativ begleitet und 3 Tage gewaschen, gefüttert und zur Toilette gebracht. Es hat mich sehr gefordert, vor allem die direkten pflegerischen Tätigkeiten.

Ich kann es nur in dem ich mich jedesmal explizit überwinde, eine dauerhafte direkte Pflege schließe ich deshalb für mich aus.
Rund herum kann ich alles regeln, managen, im Notfall auch pflegerisch einspringen. Aber dauerhaft kann und möchte ich es nicht.

Das kommuniziere ich auch offen.
Beruflich kann ich das alles gut abhaken, aber dauerhaft Angehörige zu pflegen könnte ich nicht.
Denn nach einem Einsatz fahren wir zurück, ziehen uns um, schreiben Protokoll und können das menschliche „ Elend“ abstreifen und müssen uns nicht dauerhaft damit belasten.

Ziehe deine Grenzen und sorge für andere Unterstützung. Sonst macht es dich kaputt und irgendwann auch aggressiv gegenüber deinen Eltern. Das passiert viel häufiger als man meinen möchte, übergriffiges gewaltvolles Verhalten gegenüber dementen pflegebedürftigen Angehörigen.

Alles Gute für dich

7

Hallo!
Ich kann mich in die Situation einigermaßen hineinfühlen. Diese Konstellation hatten wir bei meinen Schwiegereltern. Schwiegervater war zum Schluss hochgradig dement, es ging aber schon 2007 los. Als meine Schwiegermutter für einige Wochen ins Krankenhaus kam, stellte sich heraus, dass er nicht mehr alleine zurechtkam. Wir sind dann erstmal in die Nähe und später in die unmittelbare Nachbarschaft gezogen, um meine Schwiegermutter zu unterstützen. Für mich war es noch ganz erträglich, weil ich ihn vorher nicht besonders gut kannte und ihn somit kaum erlebt habe, als er geistig noch fit war. Aber meinen Mann hat es richtig fertig gemacht, seinen Vater immer unselbständiger werden zu sehen. Er konnte oder wollte es auch nicht akzeptieren und ist oft richtig aus der Haut gefahren. Im Nachhinein sagt mein Mann jetzt, hätte er gewusst, wie es ihm damit geht, wäre er nicht hergezogen. Es ist einfach unfassbar erschreckend, zu erleben, wie jemand, zu dem man immer aufgeblickt hat, von dem man gelernt hat, auf den man sich voll und ganz verlassen hat, wieder hilflos wie ein kleines Kind wird.

Mir hat es immer geholfen, einfach alles zu ignorieren, was er so gemacht hat, bzw. einfach nur immer "Ja, alles klar" zu sagen, bei ekligen Sachen nicht hingucken, nicht aufregen, cool bleiben. Aber das ist natürlich auch leicht, weil ich keine besonders emotionale Beziehung zu ihm hatte. Das konnte mein Mann auch nicht.

8

Ich hatte eine ähnliche Situation, auch mit der 300-km-Entfernung und ähnlich häufigen Besuchen. Und ähnlichen Widerständen und teilweise auch Ekel zum Schluss hin. Ja, ich wusste nicht, wer von beiden da in nächster Zeit pflegebedürftiger sein würde und mit welchen Überraschungen noch zu rechnen sein würde. Diese Stürze! Letztlich hab ich die letzten Jahre irgendwie durchgehalten und bin so froh darüber. Vor allem, dass ich beide im letzten Jahr wochenlang ganz eng palliativ begleiten konnte. Heute wäre ich nicht mit mir im reinen, wenn ich mich nicht so überwunden hätte. Gezeigt hab ich ihnen meine Widerstände niemals. Aber genauso empfunden wie du! Wie oft hab ich ähnlich mit meinem Partner gesprochen. Das hat mir als Ventil geholfen. Heute hab ich rückblickend das Gefühl von emotionaler Schwerstarbeit, bin aber dankbar, dass ich das schaffen konnte und beiden einen würdigen Abschied mit Palliativbegleitung schenken konnte. Zur Veränderung meines Vaters hatte ich ganz tolle Bücher, hab wirklich viel gelesen und seine Persönlichkeitsveränderung viel besser verstanden. Ich konnte dann im Mitgefühl bleiben. (Aber ekelig war manches einfach...) Alles Gute euch!

Edit: Körperpflege hätte ich auch nicht machen können, das war mir ganz schnell klar. Das hat nur der Pflegedienst gemacht. Da hätte ich selbst bei meiner Mutter, mit der ich bis zum Schluss gekuschelt habe, nicht machen wollen. Hut ab vor den Menschen, die das täglich machen.

Bearbeitet von Naima68
10

Ich kann mir gut vorstellen, dass du da an deine Grenzen gekommen bist.
Vermutlich wurdest du durch den Sturz von der Situation so überrumpelt, dass du gar nicht über Alternativen nachdenken konntest und einfach funktioniert hast.

Gut, dass du deine Grenzen nun kennst, denn dann kannst du entsprechend planen. Sollte sich nochmal eine Situation ergeben, in der deine Mutter ausfällt, organisierst du von zu Hause aus eine Betreuung für deinen Vater, Kurzzeitpflege oder ähnliches.
Mit etwas Abstand zu Hause geht es dir vielleicht wieder besser und die Vorstellung an deinen nächsten Besuch erscheint dir nicht mehr so schrecklich. Falls doch, nimm dir die Freiheit "nein" zu sagen. Du warst/bist in einer Überforderungssituation und musst das erstmal in Ruhe verarbeiten. Kannst du den Orga-Kram auch von zu Hause aus erledigen? Falls nicht, bleibt es eben liegen oder deine Mutter kümmert sich drum. Es gibt auch Betreuungsstellen, die genau dafür da sind und engagiert werden könnten. Es haben ja schließlich nicht alle hilfsbedürftigen Menschen Kinder, die jederzeit vor Ort sein können.