Verhältnis zur eigenen Mutter (lang geworden)

Hallo liebe Forums-Mitglieder!

Ich hoffe ihr könnt mir einen Rat geben, denn ich bin mit meinem Latein am Ende.

Meine Mutter und ich hatten es nicht immer leicht. Meine Mama ist eine starke Raucherin - hat auch als sie mit mir schwanger war weiter geraucht. Meine Eltern trennten sich als ich noch ein Kind war. Anschließend begann meine Mutter zu trinken. Ca. 6 Jahre lang dominierte ihr Alkoholkonsum mein Leben. Dazu kam, dass ich in dieser Zeit extrem das Gefühl entwickelte, mich um sie kümmern zu müssen. Von einem auf den anderen Tag hat sie dann aufgehört - zwar gab es immer wieder Rückfälle (wann immer das Leben sich veränderte - z.b Todesfall eines Großelternteils, mein temporärer Auszug fürs Studium, etc) aber nie mehr so schlimm. Ich habe ihr alles verziehen, meinen Vater als Täter für alles verantwortlich gemacht. Wir waren anschließend unzertrennlich. Ich war wochenends immer zu Hause und habe mich um Kleinigkeiten im Haus gekümmert.

Als ich dann meinen Mann kennengelernt habe, hat sich das dann ausgeschlichen. Irgendwann hatte ich auch das Gefühl, es ist ihr gar nicht mehr so recht wenn ich auf Besuch übers We komme, denn es hat ihren Alltag gestört und Arbeit gemacht. (Bett überziehen, Handtücher richten und waschen, etc) wir haben aber täglich länger telefoniert - speziell seit sie in Rente gegangen ist. Der jahrelange Alkohol- und Zigarettenkonsum zeigt nun aber seine Folgen und sie kann nicht mehr alleine in ihrem Haus leben. Daher haben wir in unserem Ort eine kleine Wohnung für sie organisiert.

Ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass sie bald wieder teil meines täglichen Lebens ist. Zusätzlich war ich schwanger. Ich habe mir das alles so schön vorgestellt.
Doch jetzt ist es ganz anders...

Sie stellt sich selbst über alles. Dass ich einen baby habe interessiert sie kaum. Ich sollte mich in erster Linie um ihre Bedürfnisse kümmern - schließlich ist sie ja neu in der Stadt (nur wegen mir) und kennt nich nicht wirklich viele Leute.

Die Tage rund um die Geburt meines Kindes war ich damit beschäftigt, ihre Möbel aufzubauen und nach zu bestellen, was sie versäumt hat aber dann natürlich unbedingt brauchte und es konnte keinen Tag länger warten. In den ersten Tagen nach der Geburt zu Hause hat sie ständig angerufen - sie braucht noch das und das. Der Fernseher muss noch angeschlossen werden und noch 100 Kleinigkeiten. Meine Situation und das Baby waren ihr völlig egal... Seit ich selber Mama bin, kann ich auch vieles aus meiner Kindheit nicht mehr rechtfertigen... Das Rauchen in der Schwangerschaft, sich selbst gehen lassen anstatt dem einen Kind eine Stütze sein.... ich kann es nicht mehr verstehen.

Ich weiß nicht mehr wie ich mit ihr umgehen soll. Sobald ich sie nicht ganz oben auf meine Prioritätenliste setzt ist sie beleidigt, macht mir ein schlechtes Gewissen - ich fühle mich immer noch verantwortlich für sie - kann aber nicht mehr springen, weil ich ja das baby (inzwischen 4 Monate) habe. Nach jedem Streit meldet sie sich nicht mehr, wenn ich mich dann wieder entschuldige geht das Theater von vorne los. Was soll ich tun, wie geht man damit um?

Puh, ganz schön lang geworden. Vielen Dank schon mal an alle, die sich die Zeit genommen haben meinen Roman zu lesen und danke für eure Antworten.

1

Deine Mutter ist eine erwachsene Frau und sie ist DEINE Mutter - nicht umgekehrt. Du bist also nicht so verantwortlich, wie du es vielleicht denkst.

Eine Therapie wäre sicher sinnvoll, aber jetzt ad hoc sicher durch viele Gründe nicht umsetzbar.

Deine Gefühle sind aber nicht ungewöhnlich. Wichtig ist erstmal, dass du akzeptierst, dass du Grenzen setzen kannst und darfst. Dann ist deine Mutter eben mal beleidigt, sie wird drüber hinweg kommen. Denn letztlich leidet ja vor allem sie drunter 😉

Du hast ihr jahrelang den Hintern gepudert quasi und natürlich ist ihr überhaupt nicht danach, da was dran zu ändern. Aber das musst du, weil du nicht unendlich Ressourcen hast.

3

Vielen Dank für die schnelle Antwort!

Ich fürchte auch, dass sie sich in ihrem Verhalten im Recht fühlt. Ich muss wirklich einen Weg finden damit umzugehen und es nicht mehr so an mich ran zu lassen. Leider leichter gesagt als getan. Ich leide danach immer für mehrere Tage. Meine Gedanken drehen sich ständig darum, wie ich alles wieder ins Rechte rücken kann. Dann ärgere ich mich über mich selbst....ich sollte diese Zeit mit meinem Baby genießen - die bekomme ich nie wieder zurück - stattdessen bin ich nur am Heulen weil ich nicht verstehen kann, warum sie sich nicht für mich freut/interessiert.

6

Vielleicht magst du, so als erste Anregung, „das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“ lesen. 😅

Ich unterschreib nicht alles in dem Buch, aber für mich hat es sehr gute Denkansätze und hilft beim reflektieren der eigenen Verhaltensweisen und dem akzeptieren der Fehler der Eltern (akzeptieren, nicht zwingend entschuldigen).

2

Hallo Katja,

Deine Geschichte gleicht derer vieler anderer Menschen die mit Suchtkranken Eltern aufgewachsen sind.

Die Umkehr der Rollen zwischen Eltern und Kindern zieht sich durch das ganze Leben und was am Anfang irgendwie dem Erhalt der Familie und dem Überleben dient, hört auch nach dem eigenen Erwachsenwerden nicht auf.

Deine Mutter hat sich in dieser Rolle eingelebt und es funktioniert für sie.
Sie wird weder etwas ändern wollen, noch wird sie ihre Strategie überdenken.

Eine Änderung kann nur gelingen, wenn du dein Verhalten änderst.
Du bist nicht für deine Mutter verantwortlich.
Je klarer du das zeigst und kommunizierst, desto besser wird es dir im Laufe der Zeit gehen.

Es gibt in vielen Städten und Gemeinden Selbsthilfegruppen für Angehörige von Suchtkranken.
Gerade Erwachsene Kinder werden dort auf gleichgesinnte treffen, die die gleichen Probleme mit ihren Eltern haben und der Austausch ist vielleicht hilfreich für dich um zu erkennen, dass du dich von der Verantwortung frei machen darfst.

Ich bin kein Fan davon alles "therapeutisch aufzuarbeiten " , aber in deinem Fall ist es möglicherweise gut mal ein paar Stunden Gespräch mit einem Fachmann/frau zu führen um für die Zukunft eine gute Strategie zu entwickeln, sich abzugrenzen.

Alles Liebe für dich und deine kleine Familie.

4

Liebe Daune, danke für deine Antwort!

Ich habe auch schon überlegt, einen/eine Therapeuten/ Therapeutin aufzusuchen. Einfach um mich selbst aus diesen Situationen herausnehmen zu können. Wahrscheinlich wird mir nichts anderes übrig bleiben.

Ich bin einfach nur total gekränkt, dass ihr anscheinend nicht nur ich, sondern auch ihr Enkelkind doch so egal sind. Zumal ich meine Mama nach dieser katastrophalen Zeit fast schon als Freundin gesehen habe. Ich hätte nie gedacht, dass sie so egoistisch sein kann - vor allem in diesem Abschnitt meines Lebens.
Dass die Position eines Kleiderschranks und die zeitgerechte Lieferung einer Mikrowelle wichtiger ist als die Geburt ihres einzigen Enkelkindes...

5

Ich kann hier die Selbsthilfeorganisation ACA "Erwachsene Kinder von Alkoholikern und aus dysfunktionalen Familien nennen"

ACA hat auch online Meetings (Zoom oder ggf. Telefon), mit denen man völlig ortsunabhängig an einem Meeting teilnehmen kann.
Eine Liste der Meetings findet sich auf deren Homepage:

https://erwachsenekinder.org/

Ich würde der TE bei ihrer Vorgeschichte einen Versuch mit so einer Selbsthilfeorganisation ebenfalls empfehlen.
Auch eine Teilnahme an Meetings von Al-Anon oder an sog. "offenen" AA-Meetings wären alternativ oder ergänzend möglich, dazu gibt es neben den Präsenzmeetings jeweils aus Online-Gruppen.

7

Aufgrund eurer Vorgeschichte kann ich verstehen, das da Vorstellung und Realität auseinandergehen. Aber eigentlich, von Außen betrachtet, ist genau das eingetreten, was zu erwarten war. Nur du konntest es nicht sehen, weil du deine Kidnhaeit noch nicht aufgearbeitet hast.

Euer Verhältnis ist eben kein echtes und ehrlich gutes Verhältnis gewesen....es ist ein Produkt deiner Co Abhängigkeit.

Realistisch egsehen müsstest du jetzt an den Punkt kommen, das du aussprechen kannst, das es offensichtlich ein Fehler war sie in deine Nähe zu holen und du eben nicht mehr deine alte Rolle in ihrem Leben ausfüllen wirst. Desweiteren benötigst du dringend emotionale Distanz. Beides wird vermutlich nicht ohne Aufwand passieren können. Aktuell schaffst du es ja noch nicht aml, sie ausbocken zu lassen.

Von daher rate ich dir ganz dringend, das du deine eigene Kindheit mit prof. Unterstützung aufarbeitest. Auch für dein Kind ist das ganz wichtig. Da Therapieplätze wirklich rar sind, würde auch ich dir die o.g. Selbsthilfegruppen für den ersten Schritt empfehlen...der Austausch dort wird dir gut tun.

Auch wenne s ein fehler war, sie in deine Nähe zu holen...vielleicht hat es doch wenigstens den Vorteil, das du jetzt die Möglichkeit siehst, dich endlich zu befreien.

Bearbeitet von Butterstulle
9

Ja....nun ist sie nun mal da und komplett ignorieren kann ich sie ja auch nicht. Aber du hast schon recht mit dem was du sagst. Ich hab sehr viel verdrängt um den Frieden zu wahren. Das ist mir leider in einer sehr emotionalen Zeit sehr schmerzhaft bewusst geworden.

11

Nenne mir einen grund, warum du sie nicht ignorieren solltest, wenn sie so durch dein Leben trampelt, ohne echtes Inetresse an dir?

Ich glaube, das war jetzt auf diese ganz harte Tour doch irgendwie nötig....du mußt dich dringend von ihr befreien. Es steht ihr ja frei, sie kann jederzeit wieder wegziehen, wenn es ihr nicht passt.

weitere Kommentare laden
8

Du musst von dem Gedanken runter kommen für sie verantwortlich zu sein. Das bist du nämlich nicht, sondern sie selbst.
Lass sie schmollen, wenn sie meint. Sie denkt bestimmt nicht darüber nach wie sie sich mit dir versöhnen kann. Sie weiß du kommst irgendwann. Kommst du nicht mehr, denkt sie vielleicht mal nach und kommt auf dich zu.
Du hast selbst eine kleine Familie. Das ist deine Priorität.
Lerne "nein" zu sagen. Du musst es nicht immer, aber in Situationen in denen es dir nicht passt.
Bestimme über dich selbst.
Das darfst du und das sollst du auch.

Sie wird nicht die gewünschte Oma sein. Muss man akzeptieren.

10

Unsere letzte Unterhaltung ist leider wieder im Streit geendet. Wenn ich versuche ihr zu erklären, dass ich mich ihr verpflichtet fühle und mich das mit dem baby in Stress bringt, reagiert sie verständnislos. Sie meint ich bin dann selbst schuld, wenn ich so empfinde... für sie ist es abgeschlossen und ich reite quasi auf "den alten Geschichten" rum. Seit knapp 2 Wochen ist nun Funkstille.

Oh Mann, der letzte Satz geht echt tief...aber du hast vermutlich recht. Sie ist nicht die erhoffte Oma; das werde ich wohl so hinnehmen müssen. Schade, vor allem, da ich so viel Zeit mit meinen Großeltern verbracht habe und ich diese Bindung für meine Tochter auch gerne gehabt hätte.

18

klar hast du viel Zeit mit den Großeltern verbracht - die sind ja dann auch für deine Mutter in die Bresche gesprungen, als sie sich nicht um dich gekümmert hat, oder? Hat deine Mutter schon jemals etwas selbstlos und uneigennützig für dich gemacht, oder nimmt sie nur?

14

Ganz ehrlich du machst dir nicht ernsthaft Gedanken ob sie beleidigt ist? Dann lass sie beleidigt sein. Das wäre mir sowas von egal bei so einem Verhalten.

Ela

15

Doch, das mache ich leider wirklich. Täglich...mehrfach.

Wir haben zuvor täglich immer lange telefoniert. Während ich meine Runde mit dem Hund spazieren gegangen bin. Sie hat dann halt erzählt, was in der Nachbarschaft neues los war, was in ihrer Telenovela passiert, was das Haustier macht...und, und, und. Plötzlich hör ich gar nix mehr. Für mich ist ein Fixstern weggebrochen...

19

hat sie nur von sich erzählt, oder hat sie auch mal gefragt, was bei DIR gerade so passiert?

weitere Kommentare laden
16

Ich würde versuchen ihr einfühlsam deine Situation zu erklären und sollte es dennoch zum Streit kommen, mich nicht entschuldigen. Sondern hoffen, dass sie in der Zeit ins Grübeln kommt und auf ihre Entschuldigung warten.

17

Du musst lernen keinerlei Erwartungen an deine Mutter zu haben :

Sie wird dir nie eine Mutter sein.
Sie wird nie die gewünschte Großmutter sein.
Sie war und ist und wird nie deine Freundin sein.
Erwarte nichts. Dann wirst du nicht enttäuscht. Du benötigst sie nicht mehr. Du hast es ohne sie schon so weit geschafft. Du brauchst ihre Liebe und Aufmerksamkeit nicht mehr. Du bist jetzt erwachsen. Du hast deine eigene Familie.

Um zu lernen, nichts mehr zu erwarten, braucht es eventuell erstmal Distanz. Wenn du denkst, du hast das ganz tief verstanden, dann kann man wieder in Kontakt treten. Aber dabei immer eine emotionale Distanz beibehalten und keine Erwartungen hegen.

Ziehe deine Grenzen. Konzentriere dich auf dein Baby. Durchbrich den Kreis. Gib deinem Kind die Aufmerksamkeit und liebe die du leider nicht bekommen hast. Arbeite an einer gesunden Mutter-Tochter-Beziehung, die dir bisher verwehrt blieb. Brich aus deiner Rolle zu deiner Mutter aus, für deine Tochter!