Immer öfter Gedanke, Mann zu verlassen

Hallo Leute,
ich hab lange überlegt, ob ich diesen Gedanken überhaupt äußere und erst Recht nicht in einem Forum, aber ich habe ein problem, dass ich mit niemandem besprechen kann.
Zu mir - ich bin seit 10 Jahren mit meinem Mann zusammen, seit 4 Jahren verheiratet. Wir haben einen 2-jährigen Sohn.
Ich Zweifel schon etwas länger an meiner Beziehung, dachte aber erst, dass ich aufgrund einer Depression zu kritisch Urteile. Das kann passieren und man trennt sich irrtümlicherweise. Nun geht es mir aber besser und die Zweifel werden größer. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Partner ebenfalls depressiv ist, es aber selbst nicht so wahrnimmt. Er war noch nie ein grübler, sondern hat immer stoisch gemacht. Das funktioniert immer noch so, nur dass er immer mehr aus dem Gleichgewicht fällt und überfordert ist. Ich glaube, dass das jedem an seiner Stelle so gehen würde. Er ist derzeit noch Alleinverdiener, aber meine Weiterbildung ist fast abgeschlossen und danach werde ich auch wieder arbeiten gehen. Er ist ein toller Vater. Sobald er daheim ist und Sport gemacht hat, will er sich um den kleinen kümmern. Er ist nie unfair oder gereizt, nur wenn ich ihn seiner Meinung nach zu unrecht kritisiere. Und er liebt mich und schaut, dass es mir gut geht. All das sehe ich, halte ihm haushaltstechnisch selbstverständlich den rücken frei und erwarte von ihm eig auch nicht so viel. Dass er den kleinen nach seinem 12 Stunden Arbeitstag noch nimmt, will er so. Es sind dann noch 2 Stunden, bis er ihn ins Bett bringt.
Er hat auch körperliche Gebrechen, ist chronisch erschöpft, hat ständig einen tinitus und rückenschmerzen.
Soviel zu der Ursache für meinen Verdacht, dass er Depressionen oder Abwandlungen von burn Out hat.
Nun ist es so, dass seine innere unausgeglichenheit sich auch auf sein Sozialleben ausschlägt. Zwar meidet er Gesellschaft nicht, aber von der coolen Socke, die er mal war, ist nichts mehr übrig. Er macht unpassende, manchmal viel zu ordinäre Witze (weil er wohl denkt, dass es cool ist), erzählt manchmal irgendeinen sinnlosen Quatsch, ist überdreht und steht sehr oft auf der Leitung. Ein Freund hat mich gefragt, warum er so zerstreut ist. Fremde schauen ihn manchmal nach dem Motto an: was ist das denn für ein schräger Vogel? Ich wurde in meiner Vergangenheit gemobbt und habe Angst, dass es ihm genauso gehen wird. Im Hinblick darauf, dass er vor hat, seine Arbeitsstelle zu wechseln. So unkonzentriert und unpassend er sich manchmal verhält, sehe ich da eine große gefahr... Ich habe ihn mal vorsichtig drauf angesprochen und er meinte, dass er das soziale verlernt habe, aber das schon irgendwann wieder kommt. Also er merkt auch, dass sich etwas verändert hat.

Zu meinen Gedanken und gefühlen, für die ihr mich auch gerne verbal ohrfeigen könnt: ich will meinen alten Mann zurück. Den lustigen, entspannten, unaufdringlichen, etwas eigenen Mann, in den ich mich damals verliebt habe. Ich hab ihn für seine charakterstärke soo bewundert. Jetzt ist mein vorherrschendes gefühl Scham, Mitleid und Verzweiflung. Endlich schaffe ich es, meine Depression in den Griff zu bekommen und will mein Leben neu organisieren. Dazu gehört auch meine Beziehung. Aber mein Mann verharmlost seine Probleme und will sich nicht dazu überreden lassen, mal zum Psychotherapeuten zu gehen. Er sagt, je öfter ich ihm zu einer Therapie rate, desto schlechter fühlt er sich und das will ich natürlich nicht. Ich habe soo Angst, dass er mal Probleme wegen seines derzeitigen Sozialverhaltens bekommt. Dass sich Freunde von ihm / uns abwenden, weil sie ihn unangenehm finden. Ich empfinde ihn jedenfalls manchmal als unangenehm, wenn ich ihn beobachte. Wenn wir alleine sind, hält sich dieses Verhalten allerdings in Grenzen. Ich komme immer noch mit ihm klar, auch wenn die liebe schon etwas abgenommen hat. Habt ihr einen Tipp für mich? Wie ich ihn doch dazu animieren kann, zum Therapeuten zu gehen? Oder soll ich ihn solange schlechte Erfahrungen machen lassen, bis er selbst erkennt, dass er ein Problem hat. Ich hänge echt unheimlich an ihm und will unsere Familie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Außerdem hat er dieselbe Geduld verdient, die er bei mir und meiner Depression gehabt hat. Die werde ich ihm selbstverständlich geben. Aber ich will ihm auch helfen.
Ein weiterer ekelhafter Gedanke von mir: so wie es gerade ist, sehe ich ein großes Risiko, dass ich mich nicht schnell mal fremdvergucke. Ich habe richtig Angst davor...

So jetzt habe ich die Hose vor euch runtergelassen und hoffe, ich ernte nicht ganz so heftige Kritik. Ich weiß, dass meine Gedanken egoistisch sind, wo er so viel gibt. Aber so ist es nun einmal und ich weiß nicht, wie ich ihn und unsere Beziehung wieder aufbauen kann...

Ansonsten wünsche ich noch einen schönen Tag.

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Nach der Geburt meines Sohnes ist bei mir ein altes Trauma aufgeplatzt.
Ich war 1.5 Jahre lang nicht ich selbst, ich war dauernf wütend, meine Gedanken sind gerast und die Energie fehlte mir an manchen Tagen komplett. Dann wurde es immer besser und irgendwann fühlte ich mich dank Therapie, intensive Arbeit an mir selbst und vielen anderen Dingen die ich gemacht habe wieder wirklich wie ich selbst.

Die Zeit war auch für meinen Mann sehr schwer und er hat alles mit einer engelsgeduld ertragen, hat mir alles abgenommen und war auch zum Teil mein Kummerkasten.

Das ist auch bei ihm nicht spurlos vorbeigegangen. In der akut Phase wo es mir am schlechtesten ging, hatte er zusätzlich noch einen Bandscheibenvorfall.
Wenn ich ihn jetzt mit wieder gesunden Augen betrachte, dann sehe ich, dass sein Selbstbewusstsein stark eingebüst hat und auch seine Energiereserven erschöpft sind. Alles was über den normalen Alltag hinausgeht schafft er nur schwer und muss sich wirklich überwinden. Alles geht langsamer.

Manchmal habe ich auch so Gedanken, na toll jetzt geht es mir gut und er "schwächelt" dabei will ich jetzt endlich leben. Kann das so gut gehen? Aber

Ich weiß, dass ich ohne meinen Mann nicht da wäre wo ich heute bin und vor allem niemals so schnell. Er hat so viel auf sich genommen und zurückgesteckt, da ist es nur logisch, dass er jetzt auch seine Zeit braucht.

Einmal habe ich ihn darauf angesprochen, dass ich das Gefühl habe, ihm geht es nicht sehr gut. Dass ich merke, ihm fehlt die Energie und Selbstbewusstsein und dass ich mir sorgen mache. Eine Therapie wird er nicht machen, dass ist okay die bringt ohnehin nur etwas wenn er es von sich aus machen möchte und mitmacht.

Jedoch pusht er sich seitdem selber mehr und zwingt sich dazu öfter ja zu sagen. Und er macht das wirklich gut. Ich versuche für uns schöne Erlebnisse und Ausflüge zu planen und ihn so aus seiner Komfortzone zu bringen, wobei er wirklich gerne in der Natur ist und ergreife auch mal die Initiative wenn etwas gemacht gehört/ansteht, sodass er mitziehen "muss". Natürlich mit Maß und Ziel, nicht gleich mit Vollgas.

Eine Pflanze wächst nicht schneller, wenn man an ihr zieht.
Deshalb glaube ich, solltest du zuerst an deiner Einstellung arbeiten und die Situation wie sie gerade ist in das richtige Licht rücken. Und vor allem die Scham ablegen und die Gedanken: "was ist wenn", die helfen niemanden sondern können alles nur noch verschlimmern und sind zudem irrational. Eine Arbeit kann man ersetzennund Freunde die sich in schweren Zeiten abwenden sind ohnehin keine richtigen Freunde.

Dein Mann ist stark, er hat dir viel abgenommen und dich in deiner schwersten Zeit begleitet. Mit Geduld und viel Liebe und ohne Druck. Da gibt es nichts wofür du dich schämen müsstest, selbst wenn sein Verhalten gerade etwas merkwürdig zu sein scheint, das ist halt die Kehrseite seiner Stärke von damals.

Schenk ihm deine Liebe, mach ihm Komplimente und push von außen sein Selbstvertrauen, wenn es die Situation gerade zulässt. Er macht täglich Sport, dasist sehr gut und hilft auch beim Ausgleiche aber von heute auf mrogen geht es nunmal nicht. Macht einen Urlaub, geht wandern, auf ein Konzert, in eine Bar nur ihr beide, konzentriert euch auf die schönen Dinge des Lebens. Vielleicht tut ihm Entschleunigung gut. Es braucht einfach Zeit.

Ich wünsche euch alles Gute, viel Geduld und dass ihr nächstes Jahr bereits eine deutliche Besserung spüren könnt.

Bearbeitet von Inaktiv
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Vielen Dank für deine Antwort, die war unglaublich läuternd. :)

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Danke für dein Feedback :3 freut mich wenn uch helfen konnte :)

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Ich denke auch, dass es relativ unfair ist, jetzt den alten coolen Mann wied r zurück haben zu wollen, jetzt wo es dir besser geht und du deine Depressionen in den Griff bekommen hast.
Er hat sich sicher damals auch unterstützt. Du warst anders, trauriger, depressiver, antriebsloser? Hat er dich deswegen verlassen? Wie hättest du dich gefühlt, wenn er dich verlassen hätte, weil du gerade eine schwierige Phase hast?

Dein Mann ist immer noch der selbe, aber aktuell krank. Darum ihn verlassen? Sehr unfair.
Er braucht Hilfe und sollte das irgendwann selbst auch so sehen und in Behandlung gehen. Rede Klartext mit ihm, wie schlecht es dir geht. Nicht mit Trennung drohen, das wäre mies.

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Hey du, das meine ich mit dem verbal ohrfeigen - ja, verdiene ich, denn meine Gedanken sind egoistisch. Ich würde ihm aber niemals mit Trennung drohen. wirklich niemals, das macht man einfach nicht. Tatsächlich haben mich die Antworten hier wieder auf Kurs gebracht. Deshalb auch danke für deine Kritik.

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Wow, erstmal sehr mutig von dir das zu schreiben und auch sehr reflektiert.

Mir geht es tatsächlich ein bisschen ähnlich. Ich habe mich charakterlich in einen anderen Mann verliebt, als der, der er jetzt ist.

Er wird immer negativer und seine Bemerkungen empfinde ich auch oft als grenzwertig. Ich mag ihn gar nicht gerne mit zu Freunden nehmen, aber er will meist sowieso nicht und hat selber auch kaum Freunde.

Ähnlich wie du, habe ich auch eine Depression, zwar schon lange in Behandlung, aber Schübe habe ich dennoch.

Und natürlich sollte man eine Partnerschaft nicht leichtfertig beenden, aber ich bin schon der Meinung, dass das nur geht, wenn man beide an einem Strang ziehen und der andere sich auch Hilfe sucht.

Mein Partner war 1x ganz kurz, als es ihm sehr schlecht ging, bereit dazu. Aber das hielt nur 1 Woche und jetzt braucht er es angeblich nicht.

Und genau deshalb kommen auch mir Gedanken, wie lange ich das noch mitmachen möchte und es ist mir irgendwie auch unangenehm mir selber einzugestehen, dass ich ihn so bald nicht mehr lieben kann, ganz einfach weil ich diesen Menschen, mit diesem Charakter, eigentlich nicht mag.

Leider habe ich keine guten Tipps für dich. Ich hoffe immer noch, dass er doch Hilfe annimmt und die andere Zeit verdränge ich es. Höre einfach gut auf dein Bauchgefühl...

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Ich wünsche dir und deinem Mann alles Beste und dass er sich zu einer Therapie bekehren lässt. Wie versteht ihr euch denn untereinander?

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auch möchte dir nur mitgeben, was andere schon vielschichtig schrieben.
es wäre so einfach den Finger zu heben, zu mahnen, auf das Recht des eigenen Leben, Lebenswertgefühl,
oder eben, wie man früher bindend äußerte, so wie in guten als auch in schlechten Zeiten....

vor mehr als 10 Jahren, war ich ebenso, wo dein Mann jetzt sich befindet. und ehrlich es gab ausreichend Grund für meine, dass geht, sich nicht mitziehen lässt von mir,
nach unten.
sie hat mindestens genauso gelitten wie ich, der im eigenen Sumpf des Grübelns, des Fragens nach dem Sinn usw.
doch sie war immer da, nahm wie es wahr, hielt mich und es eben auch genau dadurch ab und noch tiefer ging, sie ließ nicht los von mir, über 2 Jahre dauerte es, bis ich wieder annährend da stand, wo ich war.
aber sicher ist auch, der alte (junge) war und bin ich nicht mehr.
versuche ihn weiter zu halten, dränge ihn nicht, Gemeinsamkeiten finden, aktiv werden, dem Kind was auch das Recht zum Vater- dem Vater- hat.
ich verstehe deinen Reiz, Sehnsucht, ein andere könne da ehr dein gewünschtes erfüllen, eine echte Option geworden sein kann,
aber und vielen passiert das auch Lust und Frust, wohnen eng beieinander.

nur wenn es wirklich vorbei ist, du deiner Liebe nicht mehr sicher bist, er mal als dich los lässt, nichts mehr von dem da ist, selbst euer Kind sich abwendet, dann sich ernsthaft die Frage stellt...
unabhängig dir dennoch eigene Wünsche erfüllen nicht versagt sind, nur wenn du stark genug bist, du all das auch weiterhin tragen kannst und so wie wir, auch wenn mit Narben auf der Seele, wissen, das wir uns brauchen, gegenseitig vertrauen durch dick und dünn,
nun gut dicker sind wir beide geworden und älter, aber nach 36 Jahren fester verbunden den je. und wenn dich dann noch die Dankbarkeit der eigenen Kinder später erreicht, was,
was bedarf es mehr nach all der schweren Zeit...
buddl1,

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Danke für deine Antwort, die war sehr ergreifend. Ich hoffe für mich und meinen Partner auch sehr, dass ich einfach ein bisschen gnädiger bin... Vielleicht hat er ja Recht und es ist wirklich nur eine Phase, die vorbei geht. Er ist jetzt 35 Jahre alt und ich habe gehört, dass das die Zeit ist, in der man sein Leben nochmal reflektiert. Vielleicht ist er deshalb durcheinander.

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ja, das ist eben eine Männerphase, man hat eigentlich alles, aber dennoch fehlt etwas, was man wohl erst merkt wen man verliert, was man hat...
auch wenn nicht jede neue Motivation von dir bei ihm fruchtet, er muss merken, spüren und auch sehen, was er von dir und dem gemeinsamen Kind hat,
auch weil ihr da seit. das kann dauern,
einen Arzt oder ein Therapeut halfen mir nicht, keine gleiche Welle gefunden.
das eigene ich musste ich finden und nicht den Tagräumen hinterherlaufen, was wäre wenn, oder was zu verpassen sei...
buddl1,